Der Wahn erscheint mit Minerva in ihrem Garten: SATOE NIDRAI RABURA
so wie die so genannten zivilisierten Völker über eine lange Zeit die Schöpfer und das Geschaffene der so genannt primitiven Vökler unterschätzt haben, so wird heute noch immer die Kreativität der Kinder und die der Irren unterschätzt. VER-RÜCKTE: Weggestellte, Abgewiesene, Ausgeschlossene, Unerwünschte. Sie tragen die Spuren der Krankheit. Gefangen in ihrer Beschränktheit, abseits der Gesellschaft, verfügen sie über eine besondere Freiheit. Sie befinden sich in einer Art Niemandsland, alles um sie herum offen, aber nicht unbedingt zugänglich.
VER-RÜCKT meint unter anderem ihre „fremde“, fremdelnde Sprache, ihre merkwürdigen Verhaltenswweisen: woanders hingestellt, abgeschoben und schnell hospitalisiert. Laut Wörterlexikon Grijalbo, bedeutet das spanische Wort „loco“ (verückt) so viel wie verblendet (besessen, berauscht), tollkühn, außero8rdentlich.
Hier, in der volkstümlichen Ausdrucksweise, ist die Zuweisung zumindest ambivalent .
Im Projekt „Jardin de Academicus“, das im MUAC, México D.F, verschiedene Künstler mit museumsfremden Gruppen zwei Tage arbeiten liess, arbeitete ich mit einer Gruppe psychotisch Kranker. Ein Teil dieser Gruppe lebt in einem Haus mit professionellem (Betreuungs-) Personal. Diese Gruppe, die sich im Winter einmal in der Woche im Garten der Autonomen Universität Mexiko (UAM) in Xochimilco zu einer Diskussionsgruppe traf (Leitung Dr. Sara Makowsky),und von den Teilnehmern thematisch ausgesuchte Themen behandelt, wird jeweils ein Teil im Internet Radio Abierta, übertragen. Ich nahm einen Winter lang daran teil. Dazu kam ein kleinere Gruppe in einer Psychiatrie Hospitalisierter, die sich ohne Schwierigkeit mit der Radio abierto Gruppe zusammenfand. Und ohne Schwierigkeiten kamen im Laufe der Tage
Kinder und Jugendliche dazu.
Der Irre spricht mit sich selbst und bildet neuartige Wörter.
Der Verrückte lebt an der Grenze.
Verrückte, die künstlerisch arbeiten, so scheint es, kommen der Poesie näher als „normale“ Personen. Es ist erstaunlich, wie Patienten, die für verrückt erklärt werden, so eigenartige und wertvolle Texte und Bilder produzieren. Sie durchbrechen die Sprache, die uns zusammenhält, indem sie neue Wörter erfinden, oder, wenn sie malen oder zeichnen schaffen sie nicht selten unbekannte und innovative Formen.
Im MUAC entstand in den zwei Räumen eine kollektive Arbeit, die die unterschiedlichen Fähigkeiten und Sehnsüchte der Beteiligten deutlich zeigt. Die Teilnehmer stellten ihre Werke ohne unsere Hilfe her. Meine und die Rolle der beiden mir Assistierenden, Monica Ortega und Maj Jensen, beschränkten sich auf gelegentliches Erläutern.
Urs Jaeggi |