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Galerie Rössli
25. April - 16. Mai, 1999

Herrengasse 8

4710 Balsthal, Schweiz
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Ikonen des Unlesbaren
Draussen herrscht das Leben, farbig, laut, bewegt und wechselreich. In den geweissten Räumen der Galerie Rössli , ein,- zwei Stufen ins Tiefparterre hinab, herrscht hingegen eiene konzentrierte Ruhe: eine kontemplative Stille des Besinnens, des Innehaltens, um Bilder zu sehen, scheinbar abstrakte, deren Inhalte zu erahnen und eigene Bilder zu assoziieren...
Verschiedenartige Bilder sind es, quadratische, eher kleine und grosse schmale, breite. Die Inhalte sind reduziert auf streng minimale, klar konturierte Formen. Sie muten wie Bildtafeln an und sind auf Leinwand gemalt, ergänzt von totemartigen, mit weisser Schrift versehenen schwarzen Holzstelen...
Ausschliesslich in Schwarz und Weiss gehalten, scheinen diese einfachen Motive vergrösserte Bruchstücke, Segmente, Ausschnitte vorausgehender elementarer Gedanken oder deren Chiffren zu sein. Sie erinnern an Schriftzeichenreste und sind doch nur noch Farbe im markanten Kontrast. Zwar bauen diese Bilde auf poetischen Texten, einem Kriegszyklus, der 1995 im Jahr des Bosnienkrieges enstand, auf. Doch sie haben sich schon 1996/97 ins Bildhafte verwandelt; Geschichten, Bilder, Figuren, die von der Sprache in die Zeichen gewechselt haben... vereinfacht, zurückgenommen und gesteigert, stets die Grenzen auslotend, aber auch überschreitend.
Wie weit ist ein Zeichen noch ein Zeichen, erzählt eine Geschichte noch eine Geschichte, ist Malerei nur noch Malerei, wo ist alles eins? So wirken diese Bilder an der Grenze von Sein und Nichtsein wie Ikonen des Unlesbaren, in denen alles endet und alles neu beginnt: als absoluter, reiner Mal-Zustand.

...Die Arbeiten im hinteren Raum sind spezifisch für diesen Ort entstanden, inspiriert durch die Gewölbekeller-Atmosphäre. Weiss grundierte schlanke Stäbe, von schwarzen Schriftzügen "umwickelt", ziehen entweder waagrecht friesartig der Wand entlang oder sind senkrecht gruppiert. Auch hier handelt es sich um poetische Texte von Urs Jaeggi, die, schwer lesbar, nun eher assoziativen Charakter haben. Denn diese auf das Kalligraphische reduzierten Stäbe wie die beiden Worttafeln führen wie Relikte - aus dem Strom des modernen Lebens in diese Abgeschiedenheit gebracht - die Kunst an den magischen Ort ihrer vergangenen Ursprünglichkeit zurück. Sie lassen in ihrer Einfachheit die einstige rituelle Erfahrung der Kunst wieder spürbar werden.

Eva Buhrfeind, Solothurn, 29.4.1999
erschienen in: Neue Mittelland Zeitung

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©  Urs Jaeggi  /  Website: Universes in Universe