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I. 91102


Das Projekt setzt die mit "NO PICTURES" in Tel Aviv (2000) begonnene und in Venedig (2001) unter dem Titel EVIDENZA erweiterte Installation mit einem erweiterten Konzept fort.

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Kunst ist Teil des Politischen, ob die Künstler es so sehen wollen oder nicht.

Es geht um Sinn.

Im Souterrain der Bilder gibt es eine Verwobenheit der Bilder mit dem Traum und mit dem Tod.

Die Überlebensgesellschaft, die mit allen Mitteln Selbsterhaltung und Selbstzelebrierung betreibt, ist, wie wir schon lange wissen, gleichzeitig eine gigantische Institution des Todes. In der Vorstufe: als Gewalt, als Hass und als Hoffnung.

"Ikarus", ein alter Mythos und für mich ein altes Projekt, kreist um die Katastrophen, die unsere Gesellschaft im letzten Jahrhundert und jetzt weiterführend im Übermass produziert hat und fortsetzt. Aber hinter dem monströs Destruktiven steckt auch anderes.

Als Kind hatte ich zwei in verschiedenster Form immer wiederkehrende Träume. Der erste war der Traum des Unsichtbarseins: alle Räume unbemerkt als Beobachter betreten zu können. Beobachten, auch auch als Beobachter der Beobachter. Der zweite Traum war wegfliegen, schweben.

Als ich später auf Ikarus stiess, verschmolzen die beiden Träume in einem. Konnten die allmächtig listigen Hexen und später der omnipotente Superman, der leichtflüssig und flugsicher in der Fantasiewelt die Technik des Fliegens mühelos beherrschte, die Dinge zurechtrücken?

Dazwischen stand, was Günther Anders so beschrieb:
Gewisse Arbeiter (A 1) bedienten gewisse Maschinen (M 1), um mit deren Hilfe eine andere Maschine, das Flugzeug (M2), herzustellen. In diese Maschine (M2) stieg, dazu beordert, eine weiterer Arbeiter (A2), genannt "Pilot"; er bediente diese, um dadurch einem anderen, gleichfalls in der M 2 sitzenden Arbeiter (A 3), die Chance zu geben, eine andere, gleichfalls von den Arbeitern (A1) mit Hilfe von Maschinenbedienung (M1) hergestellte Maschine (die Abwurfvorrichtung oder die Bombe, M3) zu bedienen; und um durch diese Bedienung einen gewissen Effekt (die Verwüstung Hiroshimas) auszulösen.

Später schauten wir uns die erste Mondlandung an, die im Fernsehen ungefähr genau so oft wiederholt wurde wie die zwei am ll.9.01 von Terroristen in die IWC gelenkten Flugzeuge, welche die beiden Türme zum Einstürzen brachten.

Ikarus?

Michael Serres fragt, woher kommen die Statuen? Und schreibt: Aus dem Tod. Aus dem Grab. Aus dem Bestattungsritual. Aus der Leiche. Aus dem Aas. Aus der Verwesung. Aus dem, was in keiner Sprache einen Namen hat. Aus jenem Loch, jener Fehlstelle, jener Abwesenheit in der Sprache, aus jener Kastration...

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©  Urs Jaeggi  /  Fotos: Marc Berger  /  Website: Universes in Universe