Universes in Universe - Welten der Kunst

49. Biennale Venedig
10. Juni - 4. November 2001

Venedig / 2001 / Plateau / Arsenale

 

 
A1-53167
Aus einem Interview von Pat Binder und Gerhard Haupt.

In Guatemala wird das Militär zurzeit wegen der von ihm begangenen Massaker und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Sehr bekannt sind zum Beispiel die Anzeigen, die Rigoberta Menchú in England und Spanien gemacht hat.

Im letzten Jahr organisierte ich eine Kunstaktion, bei der ich den Inhalt von zehn großen Säcken Kohle auf der Hauptallee im Zentrum von Guatemala-Stadt verstreute, auf der eine Militärparade stattfinden sollte. Die fotografische Dokumentation, die ich von diesem Tag habe, ist leider nicht sehr gut, denn es herrschte große Angst und Paranoia. Insgesamt sind es 180 Fotos, hier in der Biennale zeige ich aber nur 25 oder 26. Die Idee dieser Aktion ist, dem Militär die vielen Verbrechen, die es begangen hat, in Erinnerung zu rufen. Es gibt nämlich eine enge Verbindung zwischen der Kohle, den Massakern und dem Militär, denn in den Massengräbern findet man immer dieses Material: Hütten und Tote werden meistens verbrannt.

Ich wusste, dass man die Kohle vor der Parade beseitigen würde. Ich verstreute sie gegen zwei Uhr morgens und um sieben Uhr wurde sie schon weggeschafft. Aber es blieben Spuren. Ich wollte, dass das Militär über diese Spuren läuft und ich Fotos vom marschierenden Heer aufnehmen kann. Indem ich mit Zeichen operiere, die sich irgenwie etabliert haben, wie in diesem Falle die Kohle, die auf die Massaker und Massengräber hinweist, beziehe ich mich mit der Aktion auf Probleme, die existierten, ohne zu offensichtlich zu werden. Ich hatte nicht die Absicht, dass diese Zeichen von den Zuschauern der Parade wahrgenommen werden, sondern das Militär selbst sollte sie bemerken.

In einigen der Fotos erscheinen auch die »Kaibiles«, eine Elitetruppe, die meines Wissens die zweit-blutrünstigste der Welt sein soll. Sie soll z.B. auch im Irak und in anderen Kriegen zum Einsatz gekommen sein. Die Ausbildung der Kaibiles ist sehr hart. Man erzählt, dass sie ohne Nahrung und nur in Begleitung eines Hundes inmitten des Urwalds im Petén mit dem Befehl abgeworfen werden, an einen bestimmten Treffpunkt zu gelangen. Wenn sie mit Hilfe des Hundes dort hingekommen sind, müssen sie das Tier aufessen. Es ist furchtbar, und es gibt tausende solcher Geschichten, von denen man nicht weiß, ob sie wahr sind oder nur Legende. Wahr ist aber, dass diese Truppe maßgeblich an den Einsätzen gegen die Guerilla beteiligt war. Der Name »kaibil« erscheint im Popul Vuh, dem heiligen Buch der Maya, die übrigens die Volksgruppe sind, von der die Kaibiles die meisten Menschen umgebracht haben. *)

Die Militärs haben Informanten in den politischen Parteien und in der Regierung, sie mischen sich in alles ein, wissen aber nichts über mich. Ich kann so eine Aktion planen und sie wissen nicht, woher sie kommt. Denn ich bereite sie sorgfältig vor und führe sie überraschend durch. Aber Tatsache ist, dass ich einige Szenen aus Angst nicht fotografieren konnte.

Ich glaube nicht, dass es ratsam ist, diese Fotos in Guatemala zu zeigen. Nicht so sehr meinetwegen, denn es gibt viele Institutionen, die mich unterstützen, sondern eher wegen der Leute, die mir helfen. Ich denke, es wäre zu gefährlich... Vielleicht in der Zukunft, aber eigentlich hat es wenig Sinn, denn das ist nicht die Absicht der Arbeit. Das Ziel z.B. in diesem Falle ist es, dass das Militär selbst etwas merkt. Die Dokumentation der Aktion dient nur dazu, die Fotos im Ausland zu verkaufen, um weitere solche Aktionen zu finanzieren. Mich interessiert es nicht, Werke für Galerien zu schaffen, sondern für ein bestimmtes Publikum zu einem besonderen Zweck. Ich ziehe es vor, Phänomene zu provozieren, um damit bestimmte Erfahrungen bei meinen Zielgruppen zu bewirken, die zur Reflexion und Handlung führen könnten.

Anmerkung:
Am 5. Dezember 1974 schuf die Militärregierung Guatemalas die Escuela de Comandos, die drei Monate später als »Centro de Adiestramiento y Operaciones Especiales Kaibil« umgenannt wurde. »Kaibil« enstammt dem Namen »Kaibil Balam«, einem Herrscher des Mam-Reiches, der nie von den spanischen Konquistatoren festgenommen werden konnte.
Information aus: »The Americas Project. Democracy and Human Rights in Guatemala«, World Policy Institute (New York)
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© Interview, Übersetzung, Reproduktionen:
Gerhard Haupt & Pat Binder

 

 

 

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